Die ersten Schritte, die Kita oder die Übernachtung bei den Großeltern – in vielen kleinen Etappen wird der Nachwuchs selbstständiger, der als Säugling eben noch völlig abhängig war von uns. Eigentlich sind wir es also schon gewöhnt, trotzdem fällt Eltern das Loslassen ihrer Teenager in der Pubertät extrem schwer. Sechs Themen begleiten euch durch diese Phase.
GEMEINSAMKEIT
Auch wenn ihr euch oft nicht mehr gebraucht oder geliebt fühlt, kommt ihr gemeinsam leichter durch die Pubertät. Kinder brauchen auch jetzt eure Unterstützung: Je besser ihr ihnen Schritt für Schritt Freiraum gebt, desto selbstständiger können sie werden. Das hilft euch euren Teens und ihrer Entwicklung zu vertrauen und ihr lasst wieder leichter los. Die gute Nachricht lautet also: Ihr bleibt ein Familien-Team, das sich gegenseitig durch eine schwierige Zeit hilft. Dazu gehört, dass ihr euch rechtzeitig vorher über die Pubertät informiert und auch den Kids erklärt, was auf sie zukommt.
VERÄNDERUNG
Das gewohnte, vertraute Familienleben geht zu Ende. Alles was sich verändert, ist anstrengend und kostet Kraft, genau wie ein Umzug, ein neuer Job oder eine neue Schule. Macht euch immer wieder bewusst: Pubertät muss sein – damit das Kind als erwachsener Mensch mit dem eigenen Leben klarkommt. Es ist kein Abschied, auch wenn es sich für Eltern oft so anfühlt. Die Beziehung verändert sich nur. Wer sich an das Kind klammert, erreicht vielleicht eine Zeitlang, dass „unser Liebling“ auf seine Freiheit verzichtet – die Ablösung wird dann umso heftiger und schwieriger. Im Extremfall lösen sich die Kinder schließlich mit einem kompletten Abbruch der Beziehung.
LÜCKE
Wenn die Kinder anfangen, eigene Wege zu gehen, hinterlassen sie manchmal eine große Leere. Jetzt zeigt sich, ob aus der Partnerschaft im Lauf der Zeit eine „Kinderversorgungsgemeinschaft“ geworden ist. Anderen Eltern fehlt das Gefühl gebraucht zu werden oder es gibt unerwartet viel Leerlauf im Alltag. Jetzt ist Zeit für neue Hobbys, eine Paartherapie, eine Veränderung im Beruf oder ein Ehrenamt. Manche Eltern, vor allem Väter, haben jetzt das Gefühl, einen Teil der Kindheit verpasst zu haben. Die Erkenntnis, nichts nachholen zu können, tut weh.
VERTRAUEN
Regeln übertreten, Grenzen ausdehnen, Geheimnisse haben – das Verhalten von Teenagern gibt Eltern oft das Gefühl, es gäbe noch ganz viel Erziehungsbedarf. Manche reagieren jetzt mit besonderer Strenge. Tatsächlich ist dieses Verhalten ein Test, ob die Eltern damit klarkommen, wenn man eigene Wege geht und eigene Entscheidungen trifft. Akzeptieren sie mich trotzdem, sind sie im Notfall für mich da? Schenkt euren Kindern einen Vertrauensvorschuss, immer wieder. Vertraut darauf, dass die Erziehung der vergangenen 13 Jahre und euer Vorbild erfolgreich waren – auch wenn es momentan anders aussieht. Fragt ihr nämlich die Eltern von Freund*innen, werdet ihr erfahren, dass euer türenknallendes, streitendes oder schweigsames Kind sich dort sehr nett, hilfsbereit und höflich zeigt.
GEFÜHLE
Jedes Verhalten entsteht aus einem Bedürfnis oder einem Problem. Das Kind, das stundenlang vor dem Spiegel Kleidung austestet, ist mit seinem neuen Aussehen nicht glücklich. Aggressiver, lautstarker Nachwuchs überspielt die Angst, abgelehnt zu werden. Versucht in schwierigen Situationen das Gefühl dahinter zu entdecken – und erzählt auch eurem Teenager von euren Sorgen, Ängsten, die hinter Verboten oder manch heftiger Reaktion stecken. Versucht auch die Situation und die Beziehung zu trennen: Streit um was-auch-immer heißt nicht, das ihr eurem Kind egal seid /es euch nicht mehr liebt. Verzichtet auf Ironie, verletzende Witzeleien oder Sarkasmus, sie schädigen die Beziehungsebene. Dagegen dürfen Eltern sagen „Ich hab dich sehr lieb, aber diese Pubertät ist echt schrecklich“.
GEBORGENHEIT
Freiheit und Abenteuer scheinen für Teenager das Größte zu sein. Gleichzeitig verunsichern alle Veränderungen, viele Jugendliche fühlen sich überfordert. Eure Herausforderung: Liebevoll schrittweise loslassen, dabei durch Grenzen Sicherheit geben. Ehrliches Interesse zeigen, auf Bevormundung verzichten und als Fels in der Brandung da sein in stürmischen Zeiten – das ist Loslassen für Fortgeschrittene.
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